Fliegen will geübt sein
Sa, 2.8.2014
Heute Nachmittag gegen 15:00 saß ich gemeinsam mit meiner Mutter am Balkon meines Elternhauses – mit Blick auf die Donau im Südosten – und am Dach des Nachbarhauses im Süden tummelten sich etwa 14 Rauchschwalben. Es war ein Gesirre und Gezwitscher in starker Lautstärke zu vernehmen. Immer wieder waren einige Rauchschwalben in ausschweifenderen Bögen über den Dächern unterwegs und tschirpten im Flug.
Es schien unterschiedliche Erfahrungsniveaus zu geben: manche standen einige Sekunden in der Luft still – als hätte jemand kurz die Zeit angehalten – um dann präzise und elegant auf der stark schrägen Dachfläche zu landen, andere jagten hintereinander in halsbrecherischen Loopings und Tiefflugmanövern her, manche unternahmen nur kurze Flüge und übten Start- und Landemanöver.
Bald fiel uns eine Rauchschwalbe auf, die längere Zeit gar nicht geflogen war. Diese Schwalbe – ich benenne sie der Einfachheit halber mit Kriz – saß knapp unterhalb des Schornsteins auf einem Dachziegel. Kriz wirkte irgendwie unsicher und schien sich nicht so wohl in ihrer Haut zu fühlen. Es sah zeitweilig so aus, als würde sie sich regelrecht am Dach festklammern. Kriz ging die erste Zeit unserer Beobachtung zu Fuß. Sie tastete sich vorsichtig ein paar Schritte aufwärts richtung Schornstein und blieb dann wieder dort sitzen. Bald sammelten sich 5/6 andere Rauchschwalben um Kriz – flogen weg und landeten, saßen Kriz mit den Köpfen zugewandt im Halbkreis um sie und „Quasselten“. Kriz drehte sich auf eine charakteristische Weise – den Schwanz dachabwärts – immer wieder hin und her.
Endlich, als direkt vor ihrem Schnabel wieder eine andere Schwalbe wegflog, wagte Kriz einen Sprung…. und danach einen Zweiten…..und jedes Mal war sie ganze drei Dachziegel weit geflattert.
Mittlerweile waren meine Mutter und ich voll Anfeuerungseifer und fieberten mit Kriz mit (die Aufregung bei Fußballspielen ist nicht der Rede wert dagegen). Würde sie wohl beim nächsten Mal eine längere Strecke schaffen? Wie bald würde Kriz einen weiteren Versuch wagen?
Nun – erstmal erholte sich Kriz und ging zu Fuß auf gleicher Höhe längs das Dach entlang.
Ich ertappte mich bei dem Gedanken, dass sie sich beeilen müsste gut fliegen zu lernen, um den Winterzug mitmachen zu können. Wie wäre es wohl, wenn eine Rauchschwalbe beschlösse zu Fuß ins Winterquartier zu ziehen?
Eine Weile später versammelten sich wieder fünf andere Rauchschwalben um Kriz. Man könnte interpretieren sie hätten Kriz gut zugeredet. Eine dieser fünf begann vor Kriz Start- und Landemanöver zu machen. Kriz drehte sich auf ihre charakteristische Art hin und her und wirkte unschlüssig. Die Schwalbe flog direkt neben Kriz, startete und landete ein weiteres Mal direkt neben Kriz, drehte sich dann um – Kriz und die Mitschwalbe saßen einander mit den Schnäbeln zugewandt -……. und plötzlich schupste die Schwalbe Kriz dachschrägenabwärts von ihrem Platz.
Kriz fing an hektisch mit den Flügeln zu schlagen und war schon in der Luft, flog einen kleinen Bogen ganz bis zum anderen Ende der Dachschräge, und landete etwas unbeholfen .
Ein Jubelschrei von mir und meiner Mutter – Kriz war eine ganze Dachlänge geflogen! Zugegeben, die Motivationsmethode war aus Menschensicht nicht besonders freundlich, aber wir freuten uns für Kriz.
Was tat diese? Sie erholte sich eine Zeitlang, blieb auf der Stelle sitzen, und ging später noch etwas zu Fuß. Als sich die ganze Gruppe in die Lüfte erhob und über den Dachfirst aus unserem Blickfeld verschwand, war Kriz jedoch mit von der Partie.